Anfangs hing ich zwar noch der verpassten Möglichkeit (Montag frei, also langes Wochenende) zu reisen nach, im Nachhinein war es jedoch auf jeden Fall die bessere Entscheidung.
Die Fotos könnt ihr euch bei Picasa angucken: PICASA BILDER
Freitagmittag sind Elias und ich noch hektisch mit Pablo (Elias Gastbruder und meine Kontaktperson) zu seinen Großeltern nach San Christobal gefahren, um uns ein Zelt auszuleihen, da es uns angenehmer erschien nicht in einem mit einem Dutzend 12-16 Jährigen vollgepackten Zelt zu schlafen. Um halb 5 gings dann los. Mit zwei Autos (Micro, so wird der große Volkswagenbus genannt, und dem Nissan Pickup, auf dem die Fahrräder transportiert wurden).
Ein Wort noch zu den Fahrrädern: Wir haben 19 Fahrräder. Davon waren stets 18 nicht einsatzbereit, da irgendetwas fehlte oder kaputt war. Anfang der Woche fing ich an die Fahrräder zu reparieren. Das Problem war zum einen, dass kein Geld für neue Schläuche da ist, zum andern aber, dass mir keiner sein Werkzeug leihen wollte. Ich hatte Don Julio schon vorige Woche um sein Werkzeug gebeten, woraufhin er jeden Tag wieder nur "mañana" (zu dt.: "jaja mach ich morgen") entgegnete (typisch Mexiko !). Auch die Nonnen sind sehr zögerlich, wenn es ums Verleihen geht, was ich auch nachvollziehen kann, da die Kinder alles anfassen wollen und oft nicht einschätzen können, ob es dabei kaputt gehen könnte. Schlussendlich hatte ich aber genug Werkzeug zusammen und hatte auch die passenden Vokabeln parat, konnte also loslegen.
Die ganze Woche habe ich mich wie ein Mechaniker gefühlt und fleißig Fahrräder repariert, was sich als angenehme Alternative zur Arbeit mit den Kindern erwies: Man sieht einfach direkt Resultate! Ein schönes Gefühl, abends nach Hause zu gehen und sich vor Augen führen zu können, dass wieder einige Bikes mehr funktionieren.
Ich im Spielgeräteraum.
Freitag waren also 12 fertig. Leider haben das Camp nur 9 erreicht, da ich den Fehler begangen habe, jemand anders damit zu beauftragen, die Fahrräder am Samstag zum Camp zu bringen... Wenn man nicht alles alleine macht...
Weiter im Text: Das beste an der Fahrt im überfüllten Bus: ich hatte einen Sitzplatz. Außerdem kann man noch erwähnen, dass (tpyisch) sobald die asphaltierte Straße aufhörte, plötzlich alle "casi llegamoooos!!!" (wir sind fast da) schrien. Ziel war übrigens die Villa Mornes, ein Salesianerprojekt für jugendliche Mädchen, das außerhalb von Tuxtla liegt. Es ist aber noch längst nicht fertig, was man den Bildern hoffe ich entnehmen kann.
Auf dem Programm standen Spiele und Sport aber auch unzählige Stunden voller Gesang (über Don Bosco), Rollenspiele (über Don Bosco und seine Freunde), Gebet, Messe und Erzählungen (über Don Bosco, der plötzlich das heilige Licht entdeckte). Da ich nicht religiös bin, stellte das für mich eine ordentliche Geduldsprobe dar... Für alle die, die noch nicht wissen wer Don Bosco (1815-1888) ist: Er ist ein Heiliger und gründete 1876 den Salesianerorden in Italien.
Siegerfoto (v.l.n.r.: 1.Samy, 2.Rubiel, 3.Carlos, 4.Erasmo, 5. Samuel)
Fotos vom Fahrradrennen, das ich organisiert hatte. Auch wenn Rodolfo Mendez ein Loch im Kopf davon getragen hat und ich ihn schnell zu Sor Carmen tragen musste, die eine Ausbildung als Krankenschwester hat, war es ein voller Erfolg: den Kindern hat es super viel Spaß gemacht und es war für sie etwas Außergewöhnliches. Das merkt man daran, dass auch die glücklich sind, die sonst nie lachen und immer ausdruckslos gucken, wie z.B. Miguel-Angel Moralez (hier im Bild).
Samstag abend haben wir ein Lagerfeuer gemacht, auf dem die Kinder Marshmallows grillen konnten und um das später getanzt und gesungen wurde. Ich möchte noch erwähnen, dass die Nonnen das ganze Camp echt super organisiert haben, wenn auch, klar, nach ihrem Geschmack.
Kurz zum Thema Religion:
Ist es gut, wenn die Kinder von einer Nonne übers MEGAPHON gefragt werden "Wollt ihr alle heilig werden ?!?!", alle im Chor zurückschreien "JAAA!!" und sich das so lange wiederholt, bis auch der letzte mitbrüllt?
Keine Frage, den Kindern wird durch den Glauben eine Stütze im Leben gegeben, ohne die viele, aufgrund ihrer z.T. schwierigen Vergangenheit, vielleicht weniger zurechtkämen. Solche Methoden, wie ich sie an diesem Wochenende miterlebt habe, halte ich jedoch für überzogen und kann mich nicht damit anfreunden. Es kam mir so vor: den Kindern wird (wie in der ComputerBILD-Werbung) der Kopf geöffnet, Trichter rein, Don Bosco hinterher und dann am Sonntag nach der Abschlussmesse, der Kopf wieder zugemacht.
Jedes Lied, was den Kindern auf dem Camp vorgespielt wurde, stellte gleichzeitig einen Lobgesang auf Don Bosco dar. Jede Geschichte, die die Kinder hörten, handelte von Dob Bosco, alternativ auch von Domingo Sabio und anderen Leuten, die Don Bosco trafen und denen er den rechten Weg wies. Jedes Lied, dass die Kinder gesungen haben, handelte von Don Bosco. Das am meisten gesungene und mir noch am präsentesten hieß zum Beispiel "Don Bosco Amigo(ooo), Oh Don Bosco". Natürlich ist Singen für die Kinder toll, Erzählungen zu hören auch und Rollenspiele machen auch Spaß. Nur wird mir immer deutlicher, dass sie durch dieses Spielerische unbewusst von Don Bosco und dem katholischen Glauben total eingenommen werden und dem ganzen gar nichts entgegensetzen können. Sie lernen ja schließlich nicht, sich kritisch mit ihm oder Gott auseinanderzusetzen.
Nocheinmal: Das soll keine Kritik an der Erziehung der Kinder darstellen. Ich schildere lediglich meinen Eindruck.
Sonntag war das Camp dann vorbei und wir sind gemeinsam zurück gefahren. Insgesamt hat es mir viel Spaß gemacht und mein Draht zu den Kindern ist noch besser geworden. Wäre ich gläubig, hätte mir der Rest vielleicht auch Spaß gemacht.
Machts Gut und bis dann
Euer Ben
Hi Ben,
AntwortenLöschenschön so etwas ausführliches von dir zu lesen. Gut vorallem, dass du auch bestimmte Dinge hinterfragst und nicht alles nur geschehen lässt.
Außerdem verlierst du andernfalls bestimmt die Lust noch etwas zu schreiben, wo sich hier anscheinend sonst niemand bequemt mal etwas zu kommentieren.
Wir befinden uns gerade in Basel und machen einen "Kurzurlaub" auch wenn sich das Wetter noch etwas steigern kann. Marie-Luise erholt sich vom Klausurstress und ich mich von den Stress, der durch Ihren Klausurstress entstanden ist ;)
Machs gut und Meld dich mal wieder
Ja das stimmt ! Ohne Kommentare verliere ich echt die Lust am Blog schreiben.
AntwortenLöschenBen
lass dich mal wieder irgendwo sehen. egal ob icq oder hier, auch wenn ich die nächsten tage vielleicht nicht so oft am pc bin, da stephan kommt :)
AntwortenLöschenliebe grüsse
Hallo Ben,
AntwortenLöschenhast ja Recht, Reaktionen auf Deine Blogs lesen zu wollen. Religiös bist de nich, gläubig och nich. Da bin ich mal gespannt auf Dein "Konzept", das Dich in Mexico werkeln lässt. Vor allem aber: Warum um alles auf der Welt sollst Du/ willst Du keine Erziehungskritik üben? Du hast doch ein Recht dazu! Du wirst benutzt/ lässt Dich benutzen für (i.w.S.) "Erziehungsmaßnahmen" und darfst also auch darüber urteilen. Aus Deiner Sicht. He! Kinder gehören niemandem!! Sie sind kein Besitz, sondern Verpflichtung. Auch gläubig-kirchlich wohlgemeine Erziehung kann doch antidemokratisch und anti-autonom sein!! Die Welt ist voll (auch der Strafvollzug, aus dem ich komme)von "Helfern", die über ihre Probanden bestimmen nach dem Motto "Ich weiß was für dich gut ist." Dies ist genau die Denkweise des spanisch/mexikanisch gut aufgestellten Opus Dei: autoritär-elitär. Du und ich, wir sind nicht der Nabel der Welt, aber wir dürfen doch UNSERE vorstellung von "Erziehung" (Ein Sch...wort) der Dritter entgegenhalten. Sei also nicht so vorsichtig! Einen Maulkorb werden sie Dir ja wohl nicht verpasst haben - oder?? Es gibt viele viele Gründe, mein Lieber, warum Kinder traurig gucken! (Vielleicht steht das auch bei Don Bosco, ich lese nach).
Tschüss
Dieter
Nachtrag: SPIEGEL ONLINE berichtet von einer Studie, die bewiesen haben soll, Religiöse sind dümmer als Ungläubige. Den Verdacht hat man ja - auch in diesen Tagen der weltweiten Erörterung sexuellen Missbrauchs....
AntwortenLöschenAlso, Ben, dumm bist de nich! Is doch was, oder?
Dieter