Dienstag, 20. Oktober 2009

Cambio




Hola Amigos !

Seit dem letzten Eintrag über meine Aktivitäten hier in der Albergue hat sich einiges getan. Der wohl größte Unterschied ist, dass ich mich mit den Kids immer besser verstehe und ich (auch die Chaoten) echt lieb gewonnen habe. Es ist erstaunlich, dass, wenn ich mal schlechte Laune habe oder einfach nicht gut drauf bin, mich das Lachen der Kids jedes Mal aufs Neue aufheitert.

Ich werde hier übrigens fast immer mit Bendiez (links im Bild) angeredet. Sein Name kommt daher, dass er sich in 10 verschiedene Charaktere verwandeln kann.

Ich habe vor einiger Zeit angefangen aus Luftballons und Sand Jonglierbälle herzustellen. Da ich aufgrund des ziemlich straffen Programms leider keine freie Zeit mit den Kids bekomme, musste ich mir selbst ein kleines Zeitfenster schaffen: Vorausgesetzt meine Kinder arbeiten schnell und haben nicht getrödelt können wir nach dem Oficio (Haus saubermachen nach dem Mittagessen) eine Viertelstunde jonglieren üben. Den Kindern macht das echt Spaß. Außerdem lernen sie es, schnell und ohne Trödeln zu arbeiten, um früher spielen zu können. Joshua kann nach einer Woche sogar schon mit 3 Bällen jonglieren – sieht zwar noch nicht rund aus aber er wird’s garantiert weiter üben. Sobald ich meine Jonglierbälle auspacke kommen auch die Kids, die in der Kirche saubermachen angerannt und wollen mitmachen, sodass sie sich gegenseitig erklären können, wie es richtig geht.

Was hat sich noch geändert? Ich bin nachdem ich die Kinder von der Schule abgeholt habe, nicht mehr in der Wäscherei, sondern helfe den Kids beim Lesen. Erschreckend fand ich, dass John (11) das Alphabet noch nicht konnte! Außerdem bin ich für das Basteln der Weihnachtsgeschenke zuständig. Es handelt sich um 150 Sterne aus 2 versetzt aufgeklebten Pappquadraten, die mit Nylonfäden fein säuberlich umwickelt werden. Vorne befindet sich ein Mariaportrait und hinten ein kleiner Gebetstext… Nicht ganz mein Geschmack aber nun gut. Repräsentativ für die Albergue ist es auf jeden Fall.



Hier seht ihr mich beim 300 Pappquadrate ausschneiden. Die Vorbereitungen haben ewig gedauert. Deswegen hab ich mich in letzter Zeit auch aus der Hausaufgabenbetreuung zurückgezogen.

Die 150 Sterne gehen an alle „Beneficadores“ – also Spender, die Geld oder Obst oder sonstiges spenden. Das ganze hatte damit angefangen, dass Sor Luz mir einen fertigen Stern gegeben hat und ich für sie herausfinden sollte, wie der gemacht ist.

Mittlerweile, nach unzähligen Versuchen mit verschieden starkem Papier, Baumwolle und dünneren und dickerem Nylon, hat man mir alle gewünschten Utensilien besorgt und ich könnte mit den Kindern loslegen zu basteln. Natürlich wollen die Nonnen aber keine Zeit aus ihrem Programm freigeben. Sie werden in den 2 verbleibenden Monaten bis Weihnachten jedoch einsehen müssen – da bin ich mir sicher – dass sich 150 Sterne (einer dauert in etwa eine Stunde zu umwicheln) nicht von alleine herstellen und dass ich auch nicht alle machen kann. Ich bin gespannt, ob wir bis Weihnachten alle 150 schaffen, wir sollen „einfach“ immer zwischendurch mal ein Paar machen, wenn die Kindern Zeit haben (total utopisch, da sie nie Zeit haben…)

Ein weiteres Beispiel, dafür, dass es schwierig ist, Zeit für irgendetwas mit den Kindern oder Nonnen zu finden, ist Sor Luz’ Vorhaben mit mir ein Theaterstück zu schreiben. Sie hatte das vor ungefähr 2 Wochen geäußert, bisher ist daraus noch nichts geworden und ich habe auch nicht den Eindruck, dass da etwas passieren wird. Wann denn auch? Luz ist den ganzen Tag mit den Kindern unterwegs und hat bis spät abends absolut keine Pausen !

Gestern waren die älteren Kids (12-16) vormittags zu Hause, da sie keine Schule hatten. Die Zeit hätte man perfekt für Sport oder irgendwelche anderen Aktivitäten nutzen können. Stattdessen haben die Kinder den Hof gefegt, gewischt und aufgeräumt. Auf meinen Vorstoß, dass ich vielleicht etwas mit den Kids machen könnte bekam ich die Antwort, dass Sauberkeit äußerst wichtig sei, jedoch nicht nur äußere, sondern auch innere. Des Weiteren, dass die Kinder an viel Arbeit gewöhnt werden müssen und Gäste die Albergue nur sauber sehen dürfen, da sie dann eher von ihr reden. Natürlich stimmt das. Sauberkeit ist wichtig, die Kinder müssen an Arbeit gewöhnt werden, aber reichen nicht auch 3, anstatt 5 Stunden zum Putzen? Vielleicht mit festgelegten Erwartungen und nicht einfach nur als Beschäftigungstherapie?

Man muss auch die Position der Nonnen verstehen: Sie sind seit Jahren an diesen festen Tagesablauf gewohnt und für sie sind andere Werte wichtiger als z.B. die Schulung von koordinativen Fähigkeiten beim Jonglieren - Stichwort innere Reinheit. Ich bin eigentlich auch der Auffassung, dass die Kinder an viel Arbeit gewöhnt werden, vor allem wenn man die übliche Arbeitsmoral hier in Mexiko in Betracht zieht. Und auch, dass sie wenig Zeit alleine haben sollten, damit sie sich so wenig wie möglich alleine fühlen und nicht an ihre Vergangenheit denken müssen unterstütze ich. Dennoch finde ich das "Beschäftigungsprogramm", dass die Nonnen fahren mehr als fragwürdig! Hier wird z.B. 3 Mal am Tag der Hof gefegt und von einigen - für meine Augen - wenigen Blättern befreit. Wir werden sehen, wie sich das weiter entwickelt.

Was gibt’s sonst noch? Die Bauarbeiter mauern unseren „Notfallhintereingang“ zu! Aber den würden wir wahrscheinlich sowieso nicht mehr benutzen, seit wir wissen, dass der Securityman, der in der Straße rumläuft, sofort die Polizei ruft, wenn er jemanden abends oder nachts über die Mauer klettern sieht. Und das wäre echt mehr als unangenehm…



Trotzdem - "Was soll das?!"

Außerdem ist es ein bisschen kühler geworden. Das merkt man aber nur früh morgens und spät abends. Ich muss morgens in Pulli und langer Hose zu den Schulen fahren. Fühlt sich aber irgendwie gut an :)

Grüße nach Australien zu Jana und Lynn, nach Amerika zu Lisa, Lisa, Anni & Lari, zu Christoph in Uganda und zu Frido in Hanoi, außerdem nach Kenia, Porto Alegre, nach Zürich & Luzern, nach Ecuador zum Leo und auch an alle Mitstreiter in Mexiko, die ich hoffentlich Ende Oktober wieder sehen werde?!  – vor allem an J in Ocotlan! und natürlich auch sonnigste Grüße an alle in Deutschland verbliebenen und alle Leser in den Tiefen des Webs, die ich nicht kenne!

Machts gut!
Ben

P.S.

Lehre über die Energie im Körper (mit liebstem Gruß nach Hause an Daggi)


& Batman ist down gegangen :-/



Dienstag, 13. Oktober 2009

Spender

HOLA ! Kürzlich waren zweimal Geldgeber hier. 

Erstens: Einige elegant gekleidete Frauen, denen man ihren Reichtum deutlich ansah, saßen mit Sor Isa(bel) und Sor Lupita am Küchentisch und es gab Kaffee (Kaffee! den gibts es sonst nie - auch wenn er nicht lecker war) und Plätzchen. Die gibt's sonst auch nie, außerdem wurde feines Porzellangeschirr benutzt. Dann wechselten nach ewigem Geldzählen und einigen netten Worten etwa 33000 Pesos den Besitzer. Sor Isa hat sich mehr als knapp bedankt und kurz darauf wurden Elias und Ich den Damen vorgestellt. Eigentlich waren die Damen sehr nett aber mit ihrem oberflächlichen, wie eingemeißelt wirkenden Lächeln waren sie mir gegen Ende ein wenig unsympathisch. Natürlich wäre es unfair den Damen pauschal Desinteresse an den Kindern zu unterstellen. Auf mich hat es jedoch so gewirkt, auch, weil sie kein Wort mit ihnen geredet haben.

Zweitens: Nachmittags kam eine in etwa zehnmannstarke Delegation einer Firma. Der Firmenname hieß irgendetwas mit Microcredito, was auf eine Bank schließen lässt. Alle Kinder mussten ein grünes Albergue T-Shirt anziehen, es wurden ziemlich viele Luftballons aufgeblasen und Stuhlreihen, sowie ein Tisch für die Redner aufgestellt. Außerdem liefen 2 verkleidete Jugendliche in stark riechenden Kostümen rum, um die Kinder zu unterhalten. Der Intention wurde die gesamte Angelegenheit nicht gerecht:

Es gab 2 ernüchternd trockene Dankesreden vom Chef der Firma und einer der oben erwähnten Damen (braunes Oberteil, rechts im Bild), die auch anwesend war. Dann wurden unzählige Fotos mit dem Riesenscheck und den Kindern gemacht.

Ich habe die Kinder, selbst bei Hausarbeiten, noch nie so gelangweilt und teilnahmslos erlebt. Das schlug sich auch in dem von den Kids gesungenen Lied „Gracias“ nieder. Während normalerweise alle lautstark mitsingen, hat hier in etwa die Hälfte geschwiegen.


Das gesamte Event wirkte auf uns – Schwestern, Kinder und Freiwillige – wie eine Inszenierung für Presse und Website der Firma. Die gespendete Summe von 25.000 Pesos entspricht übrigens in etwa 1250 €. Wieder wurde ich den Eindruck nicht los, dass die Geldgeber zwar spenden wollen und dies von den Nonnen auch gerne gesehen wird, sich aber kein bisschen für das Wohl der Begünstigten interessieren.
Denn Reden mit den Kindern? Wieder Fehlanzeige



Die aktuellen Baumaßnahmen hier verschlingen übrigens ungefähr eine Millionen Pesos. Wie da die beiden Beträge helfen, kann sich jeder selbst zusammenreimen. Trotzdem vielen Dank an die Geldgeber.


Dafür hatten die Kinder danach Spaß mit den Luftballons. Und Süßigkeiten haben sie auch bekommen ;)