Donnerstag, 27. Mai 2010

Die Vitrine & Ich

Dieser Artikel gilt einem Projekt, dem ich seit laengerem viel Zeit widme:

Das "UNTERNEHMEN Kinderheim"

Ich hatte ja schon zuvor mit den Kindern zu vollster Zufriedenheit (auch meiner, was nicht leicht ist) Karten und Sterne gebastelt. Ich mache nun neue Karten. Karten, die man zu jeglichem Anlass verwenden kann. Deswegen zieren sie in den meisten Fällen Blumen. Ich kann mich beim gestalten fast frei "entfalten", da ich nur Materialkosten und -Vorhandensein im Auge behalten muss. Nebenbei fertige ich mit den Kindern Rosenkranzketten an.

Wir hatten schon immer eine alte Glasvitrine, der niemand wirklich Beachtung schenkte. Das sollte sich nun aendern! Ich habe Pappe und ein neues Holzbrett gekauft und mich an die "Wiederbelebung" der Verkaufsflaeche begeben. Leichter gesagt als getan. Das lag an Sor Guadalupe-Vasquez (Foto kommt). Unter ihren Kompetenzbereich fällt neben Spenden und Einkaeufen auch das Inventar des Hauses (und somit leider auch die Vitrine). In Bezug auf Neuerungen ist sie jedoch sehr ängstlich. So musste ich immer wieder Überzeugungsarbeit leisten, bis ich endlich den Schlüssel bekam. Leider war für mein Anliegen kein Geld da. Also musste ichs selber zahlen. Soweit zur Vorgeschichte, das liegt schon einiege Monate hinter uns.

MITTLERWILE, hat "meine" Vitrine also ein neues (farbenfrohes) Gesicht bekommen. Den mittleren Teil ziert eine Platte hellen Holzes und an den Seiten wurden die Hintergruende mit Wellpappe in Mexikofarben ueberklebt. Von der alten broeselnden Spanplatte sieht man nun zum Glück nichts mehr. Die Rosarios (Rosenkränze) haengen in einem rot-angemalten Bilderrahmen in der Mitte, der ihnen mehr Aufmerksamkeit (und uns zu mehr Geld) verschaffen soll.

Die Karten und Rosenkränze bastel ich mit den Kindern in der Bibliothek. Dazu muss ich viel Material vorbeireiten. Vor allem die sehr filigranen Arbeiten, wie das Aufkleben von Kleber auf kleinster Fläche, ohne dass man hinterher Kleber sieht, gelingt vielen Kindern NOCH nicht. Ich fuehle mich bei diesem Langzeitprojekt, das mittlerweile schon einige Monate läuft, wie ein Kleinunternehmer. Es macht echt Spass. Ich muss Planen, Material kalkulieren und besorgen, "Produzieren", Preise festlegen, herausfinden welche Motive sich gut verkaufen usw. Das Beste ist, dass mir bei alldem freie Hand gelassen wird und ich kaum Rücksprachen treffen muss. Es ist ja schließlich auch mein Geld, was involviert ist.

Nachdem ich die Produkte lange mit den Kindern gebastelt habe, übernimmt das jetzt eine Nonne. Ich kann mich dadruch Nachmittags aufs Studium konzentrieren.
Studium (sp.: Estudio) wird die Zeit genannt, in der die Kinder, nach Altergruppen getrennt, Hausaufgaben machen. Der Raum wirkt wie ein Klassenzimmer. Augestattet mit diesen typisch US-Amerikanischen Stühlen mit integrierter Schreibauflage. Für Linkshänder sind diese besonders praktisch, aber ich habe ja zum Glück mein Pult. Die Gruppe "Don Bosco" für dich ich verantwortlich bin wurde früher von Sor Luz beaufsichtigt. Ich nahm dabei eine helfende Position ein und erklärte den Kindern das, was sie in der Schule nicht verstanden hatten.
Das Studium hört sich vielleicht leicht an, ist es aber leider nicht. Schwierig macht es vor allem die Tatsache, dass fast alle Kinder unterschiedliche Schulen besuchen. Dementsprechend haben sie nie die gleichen Aufgaben und viele sind früher fertig als andere. Dem entgegnen wir (Ich und Sor Luz) mit Extraaufgaben. Die umfassen meist verschiedene Bereiche. Gestern waren es z.B. Aufgaben zu Bruch- und Prozentrechnung, die Frage "Was hat die mex. Revolution ausgelöst und welche Folgen hatte sie?" und die Frage "Wie funktioniert der Wasserkreislauf?". Letzteres mussten sie mir dann (wie eine kleine mündliche Prüfung) jeder einzeln erklären.
Sor Luz hat sich aus dem Studium in den letzten Wochen zurückgezogen und so bin nun ich der "Lehrer". Grundsatz: Im Studium sind wir KEINE Freunde ! Würde ich Lehrer werden, wäre ich einer von der (sehr) strengen Sorte. Ich kann Ungehorsamkeit einfach nicht ertragen. Was ich aber noch weniger ertragen kann sind die Versuche der Kinder mich zu verschaukeln:

Da es um 6 Uhr zur Pause schellt und nur die gehen dürfen, die ihre Hausaufgaben fertig haben, versuchen natürlich alle Kinder so zu tun als sein sie fertig. Das endet dann stets darin, dass die Jungs mir nicht ihre, sondern Hefte anderer unter die Nase halten und stolz "Fertig" verkünden. Der andere Trick ist, mir nur die Hälfte zu zeigen und dann dreist zu behaupten, das andere habe ich bereits gesehen und akzeptiert.
Sie verhalten sich dabei unverschämt frech und lügen mir jeden Tag unzählige Male voller Überzeugung ins Gesicht. Um ihnen das auszutreiben, glaube ich natürlich erstmal gar nichts mehr und greife recht hart durch. Das endet zwar oft in Tränen und Fluchen aber ohne diese "harte Hand" würden die Kinder in diesem Umfeld nicht gut erzogen, da bin ich mir sicher.

Bei dem ganzen Hausaufgaben kontrollieren und erklären fällt auf, dass die Kinder unglaublich viel abschreiben müssen. Anstelle einen Text sinnvoll zusammenzufassen, schreiben sie dann 15 Minuten und wissen nachher nichts über den Text! Ist ja auch kein Wunder, wenn man sich nicht mit dem Text auseinandersetzen muss und so schnell wie möglich schreibt. Außerdem wird Mathe zum Teil echt merkwürdig beigebracht. Man merkt das daran, dass die Kinder zwar mittlerweile ohne viele Probleme 39823 geteilt durch 232 mit drei Kommastellen berechnen können, sie aber bei 7-4 beide Hände zum Zählen brauchen. Ich weiß nicht warum das so ist ! Vielleicht haben wir in Deutschland auch solche Fälle und ich habe sie einfach nicht bemerkt, aber es erscheint mir schon komisch.


Morgen mehr dazu, ich muss die Kinder von den Schulen abholen.


Euer Ben

Dienstag, 25. Mai 2010